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Felix Magath: Vom Zauberer zum Quäler

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Von “Super-Felix” zu “Quälix”: Kein Trainer ist ähnlich umstritten wie Felix Magath. Wie wurde aus dem schludrigen Talent einer der disziplinfanatischten Trainer der Bundesliga und wie sieht seine Spielphilosphie aus? Ein Porträt des aktuellen Coach des VfL Wolfsburg.

„Fantastico gol, forza Magath!“, tönt es aus den Kehlen der Laziofans. Auch 30 Jahre nach seinem Husarenstück wird er von allen Italienern, die nicht Fan der alten Dame sind, gefeiert. Nicht nur in Italien ist er bis heute ein Held, ebenso beim HSV und Fußballdeutschland. Es war der 25. Mai 1983, als er sich unsterblich machte.

Jener Magath, der zerbrechlich wirkte, ein sensibler Zauberer mit schwerer Vergangenheit und lockeren Füßen, sein linker Fuß sogar Gold wert. Eben jener linker Fuß, mit dem er sich in der 8. Minute in den Olymp schoss, als er im Olympiastadion in Athen den großen Dino Zoff und seine alte Dame abschoss.

Am Tag zuvor stand er noch in Trainingshose bei der Platzbesichtigung, während Michel Platini im Anzug siegessicher herumstolzierte, am Abend davor musste er noch den Zimmerservice bitten, seine Bettwäsche aufgrund des Angstschweißes zu wechseln.

Wider Erwarten war der Goliath aus Italien gefallen und Magath in einem berauschenden Fest von Medien, Kollegen und Fans zu einem griechischen Gott erhoben. Gut möglich, dass er sich auch heute noch auf diesem Thron wähnt.

Wie ein Träumer sich auf dem Fußballfeld verwirklichte

Wolfgang Magath, geboren im Jahr 1953, ein Sommerkind Ende Juni, war von Beginn an der Sohn von Unerwünschten. Seine Mutter eine ausgewanderte Ostpreußin, aufgrund ihres Dialektes in der Nachbarschaft bekannt, hatte ihn unehelich mit einem US-amerikanischen Soldaten gezeugt, der bald darauf das Land verlassen musste. Klein-Wolfgang blieb ohne Vaterfigur und hatte auch keinen Kontakt zu seinem Vater bis er 15 Jahre alt war. Für Magath bis heute der Grund, wieso er „in den Fußball abdriftete“. Seine Mutter arbeitete schwer und hatte kaum Zeit für ihn, Magath schwänzte die Schule, war unterwegs in Wäldern, aber auch Bolzplätzen und dem grünen Rasen, schulte lieber seine Beine als sein Gehirn. Obwohl Magath bis heute seine Nachlässigkeit bedauert, gab ihm erst dieses Fehlen einer Vaterfigur seine Karriere, seine Erfolge und Wohlstand.

Beim Heimweg von seiner katholischen Schule träumte Magath vor sich her. Der Quäler von heute war in seinen jungen Jahren ein sensibler Knabe, der auf dem Weg zum Bus gerne von Olympiasiegen in Leichtathletik träumte und statt der Goldmedaille öfters dem Schulbus hinterher sprinten musste.

Im Alter von sieben kam er zum VfR Nilkheim, dessen größter Erfolg bis heute ist, dass sie Magath vier Jahre halten konnten, ehe seine Mutter Helene ihn beim TV 1860 Aschaffenburg anmeldete.

Der Jugendtrainer Alexander Petschner erkannte sein Talent früh und förderte ihn, der junge Magath sah in ihm eine Vaterfigur, die er bis dato nie hatte.

Richtig zu tun bekam er es mit Petschner aber erst 1965, als er mit den älteren Spielern mit nach Frankreich auf ein Turnier wollte, was seine Mutter dazu brachte, bei Petschner anzuklingeln und ihn um Erlaubnis zu fragen.

Petschner ließ sich nicht zweimal bitten und nahm nicht nur damals den jungen Wolfgang unter seine Fittiche, auch auf Petschners Betreiben nahm Magath Briefkontakt mit seinem Vater in Puerto Rico auf.

Nach mehreren vergeblichen Probetrainings beim FSV Frankfurt, bei der Eintracht und bei den Kickers aus Offenbach wechselte Magath zum größeren Stadtrivalen Viktoria Aschaffenburg, doch Petschner glaubte weiterhin an eine große Karriere „seines“ Felix, doch forcierte ebenfalls dessen schulische Ausbildung, die jener zur Überraschung seiner Mutter mit dem Abitur beendete.

1974 war es dann fußballerisch soweit: Beraten von seinem ehemaligen Jugendtrainer unterschrieb Wolfgang, der sich nun in Anlehnung an seinen leiblichen Vater Felix nannte, einen Vertrag in der zweiten Liga beim 1. FC Saarbrücken – aus dem kleinen Maggi, einem „Aschaffenburger Lausbub“, wurde nun doch noch ein Profifußballer. 

Rascher Aufstieg und Titel

Sofort wurde Felix Magath Stammspieler und bereits in der Folgesaison stieg er mit dem 1. FC Saarbrücken auf. Mit 17 Saisontoren und zahlreichen Vorlagen war dies hauptsächlich sein Verdienst.

Obwohl der junge Magath, ganz im Gegensatz zu heute, sich nur schwer von alten Bekannten verabschieden konnte, wechselte er zum HSV und verließ den Verein, der ihm den Einstieg ins Profigeschäft ermöglicht hatte.

Trotz harter Kritik Ernst Happels an seiner Person („ein Klosterschüler, zu weich für dieses Geschäft“) wechselte Magath an die Alster und die Entscheidung sollte sich als goldrichtig erweisen – zehn Jahre Vereinstreue, europäische wie nationale Titel und Heldenstatus sollten der Lohn für Magaths Mut werden.

Doch nicht nur der sportliche Bereich sollte für Magath prägend werden, auch die Funktionäre und Verantwortlichen des HSV sollten Magaths Welt- und Selbstbild bis heute prägen.

Dr. Peter Krohn, Präsident und später Generalmanager, war ebenso wie der spätere Manager Günther Netzer ein Visionär in den wirtschaftlichen Bereichen eines Fußballvereines. Für die damalige Zeit gab es eine noch nie dagewesene Welle an Einsparungen, modifizierten Verträgen, Gehaltsobergrenzen und ähnlichem, was auch dem Teammanager Magath sehr wichtig sein würde.

Aber viel stärker beeinflussten seine Trainer ihn. Zuerst hatte er mit Kuno Klötzer einen knorrigen Schleifer der alten Schule als Trainer. Auf ihn folgte der ehemalige HSV-Torhüter Arkoc Özcan, welcher von Branko Zebec und später von der österreichischen Trainerlegende Ernst Happel beerbt wurde. Erfolg hatte nur einer von ihnen nicht, das war Arkoc Özcan – er war zu weich, zu nett, ihm fehlte die Autorität, die Zebec und Happel mitbringen sollten.

Schnell begriff der sensible Magath die Mechanismen der Profiwelt und kapselte sich privat immer mehr ab, doch dem Einfluss dieser Personalentscheidungen kann er sich bis heute nicht entziehen.

Als junger Spieler konfrontiert mit der Entlassung eines ehemaligen verdienten Spielers, orientierte er sich als Trainer deutlich an Zebec und Happel. Nach Vorbild dieser beiden sollte er einer werden, der die physischen und psychischen Grenzen seiner Spieler auslotet, sie beleidigt, Lob selten ausspricht und Strafrunden für kleine Fehler  verhängt; allerdings ohne die feinen Öffnungen der Menschlichkeit, wie es die beiden und insbesondere Happel taten, außerdem war er trotz seiner Erfolge nie ein taktischer Vorreiter, wie es seine beiden Vorbilder waren. Und auch als Spieler war seine Karriere von Rückschlägen begleitet.

Neben den großen Titeln (Europameister, zweifacher Vizeweltmeister, dreimaliger deutscher Meister und zweimaliger Europapokalsieger) musste Felix Magath auch schwere Verletzungen hinnehmen.

Im Alter von 25 Jahren erkrankte Magath an Hepatitis und war längere Zeit bettlägerig. In seinem Frust war seine einzige Ablenkung die Schachweltmeisterschaft zwischen Viktor Kortschnoi und Anatoliy Karpov, welche ihn für längere Zeit in den Bann zog. Auch nach Auskurieren seiner Krankheit verfolgte er internationale Schachspiele, zog erste Schlüsse für fußballtaktische Theorien daraus und ließ sich trotz Zeitmangels in der Schachabteilung des HSV einschreiben.

Die Hepatitis sorgte für eine kurzzeitige Abschwächung der Farbpigmente Magaths, ein Jahr lang sah er sich selbst nicht mehr wirklich ähnlich.

Ein weiterer schwerer Schicksalsschlag traf ihn 1986. Als er einen Mitspieler beim Training treten wollte, zog er sich einen Knorpelschaden im Knie zu und nach der Fußball-WM 1986 beendete er seine großartige Karriere.

Vom Rasenschach übers Management ins Trainergeschäft

Kurz danach bekam Felix Magath das Angebot des HSV den Posten des Managers zu übernehmen, welches er umgehend annahm. Trotz eines DFB-Pokal-Sieges im Jahr 1987 konnte er sich nicht lange halten und Kritiker bemerkten zynisch, dass Magaths größte Errungenschaften beim HSV die hochmodernen Atari-Computer für die Schachabteilung waren. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass der HSV seitdem keinen Titel mehr gewann, Magath schon.

Im Jahr 1988 übernahm er dann 1. FC Saarbrücken, abermals einen seiner ehemaligen Vereine, ging jedoch nach Differenzen mit der Vereinsführung im folgenden Jahr zum KFC Uerdingen, wo er nach eineinhalb Jahren entlassen wurde.

Magath bemerkte, dass er in diesem Geschäft nicht erfolgreich werden würde, aber von seinem geliebten Fußball konnte er sich nicht lösen. Völlig überraschend nahm er eine Karriere als Spielertrainer beim FC Bremerhaven in der Verbandsliga an, daneben arbeitete er in einem bürgerlichen Beruf.

Auf Anhieb wurde er Meister, doch seine Spieler jammerten über seine Trainingsmethoden („50 Runden im Powertempo, Diagonalläufe Eckfahne-Eckfahne. Nicht selten kam der Krankenwagen“) und 1993 wanderte er zum HSV als Betreuer der zweiten Mannschaft ab, Benno Möhlmann beförderte ihn kurz darauf zu seinem Assistenztrainer.

1995/96 wurde Felix Magath nun Trainer des HSV und feierte den Einzug ins UEFA-Cup-Achtelfinale in der Folgesaison, doch ungeachtet dieses Erfolges wurde er aufgrund zahlreicher Konflikte innerhalb der Mannschaft im Mai 1997 entlassen.

Seine fehlende Kommunikation mit den Spielern sollte ihm danach noch oft im Weg stehen, doch seine harten Trainingsmethoden sorgten dafür, dass viele abstiegsbedrohte Vereine seine Dienste in Anspruch nahmen.

Oft zitiert ist der Ausspruch des Norwegers Fjørtoft: „Ob Felix Magath die Titanic gerettet hätte, weiß ich nicht. Aber die Überlebenden wären topfit gewesen.“

Bis ins neue Jahrtausend zeigte sich ein deutliches Muster in der Trainerkarriere Magaths: kam er zu einem großen Verein, ging aufgrund der Medien und den Spielern alles in die Brüche, kam er zu einem kleinen Verein, so würde sich dieser aus dem Abstiegssumpf erheben (oder aufsteigen, wie es der 1. FC Nürnberg tat), nur um sich im Folgejahr dort wiederzufinden.

Als Feuerwehrmann der Liga gebrandmarkt, ging Felix Magath 2001 zum VfB Stuttgart, die in akuter Abstiegsnot waren. Der Klassenerhalt wurde gesichert und Felix Magath ging in die kritische zweite Saison, die er dank der herausragenden Jugendarbeit des VfB erfolgreich bestreiten konnte und in der folgenden Saison übernahm er zusätzlich noch die Aufgaben des Managers von Rolf Rüssmann.

Einige Transfers später wurde Magath zu einem Helden, als seine Mannschaft sich 2003 die Vizemeisterschaft hinter dem großen FC Bayern sichern konnte und die „jungen Wilden“ mit Offensivfußball in die Champions League einzogen.

Im Jahr 2004 konnte man Magaths Handschrift deutlich sehen: Spieler wie Kuranyi, Heldt, Hleb, Soldo, Lahm, Hildebrand und Hinkel waren eindeutig Magath zuzuschreiben, der sie geholt und gefördert hatte.

Trotz großspuriger Ankündigungen wie „Ich gehe erst, wenn ich den FC Bayern vom Thron gestoßen habe“ verließ Felix Magath seine jungen Wilden und wechselte zum Branchenprimus aus München.

Bereits im ersten Jahr wurde Magath Doublesieger mit dem „besten FCB-Kader aller Zeiten“, wie Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer vor der Saison verkündet hatten.

Mit Frings und Robert Kovac verließen zwei Stammspieler den Verein, Sebastian Deisler hatte mit psychischen Problemen zu kämpfen und Mehmet Scholls Karriere neigte sich immer mehr dem Ende zu, doch der FC Bayern schaffte auch nächstes Jahr souverän das Double.

Felix Magath ließ dafür ein ähnliches System wie in Stuttgart spielen. Der Raum wurde oft mit weiten Bällen überbrückt, die Sagnol auf Makaay und Ballack schlug. Ein Erfolgsrezept in der Liga, doch trotz des Starensembles konnte Magath auf diese Art und Weise international keine Erfolge verbuchen. Die Kritik an seiner Person wuchs und nach dem Abgang Ballacks und weiteren Personalproblemen im Folgejahr wurde Magath entlassen.

Viele der Profis ließen kein gutes Haar an Magath, insbesondere Mark Van Bommel schimpfte über den Trainer („Taktik? Welche Taktik?“), doch auch der sonst so introvertierte Sebastian Deisler echauffierte sich über „Quälix“: „ Er misstraute den Spielern. Er schürte Angst, damit sie sich den Arsch aufrissen.

Für einen Trainer, der in Zeiträumen von ein bis zwei Jahren denkt, ist das, was Magath gemacht hat, vollkommen richtig. Ein Spieler, der fünf oder zehn Jahre dabei sein will, kann darunter leiden.“

Mit einem verletzten Stolz verließ der erste Doubleverteidiger der Bundesliga den FC Bayern und heuerte völlig unerwartet bei der grauen Maus VfL Wolfsburg an.

Mit Geld vom VW-Konzern führte er den VfL bereits im ersten Jahr zu einer UEFA-Cupteilnahme und in der folgenden Saison gab es seine persönliche Rache am FC Bayern.

Der Wundersturm Grafite und Dzeko besiegte ersatzgeschwächte Bayern mit 5:1 und kurz vor Ende wechselte Magath noch seinen Ersatztorhüter ein, um ihm „Spielpraxis zu verschaffen“. Vor dem letzten Spieltag gab Magath sein Meisterinterview – auf dem Münchener Rathausbalkon.

Die Wolfsburgmannschaft, die in diesem Jahr Meister wurde, war wie keine Mannschaft davor oder danach von Magath geprägt worden.

Acht der elf nominellen Stammspieler wurden unter seiner Ägide geholt, auch die anderen drei wurden maßgeblich von ihm gefördert. 55 Millionen Euro gab er aus, über 30 neue Spieler kamen in die Golfstadt.

Das Spiel war ein hochdynamisches Spiel, welches auf Umschaltmomenten basierte und in welchem das Zentrum, ähnlich wie im Schach, eine wichtige Rolle spielte. Das System war das von Magath bevorzugte 4-4-2 mit Raute, denn Magath war und ist einer der großen Verfechter eines zentral-offensiven Spielmachers.

Doch nicht nur auf dem Platz zeigte sich Magaths Würgegriff, der Trainer, Sportdirektor und Nachwuchskoordinator in Personalunion war, auch daneben wurden die Spieler von ihm maßgeblich beeinflusst.

Die hohe Spielerzahl im Kader sorgte für viel Konkurrenz und Probleme im zwischenmenschlichen Bereich. Ein Beispiel hierfür ist die Schlägerei zwischen der exzentrischen Diva Zvijezdan Misimovic und dem Ersatzspieler Rodrigo Alvim. Eine weitere Anekdote ist der Kollaps des Starstürmers Grafite im Trainingslager in Thun an einem heißen Julitag 2008.

Magath versprach einen trainingsfreien Tag, doch am Nachmittag mussten die Spieler des VfL den Berg Niesen hochlaufen – und Grafite kollabierte nach zweieinhalb Stunden Dauerlauf.

Solche Geschichten und Trainingsmethoden sind es, die eine Aufholjagd in der Rückrunde von Platz 9 auf Platz 1 ermöglichten, doch es verwundert nicht, dass nur wenige Spieler dem Meistertrainer nachweinten.

Auch ist es nicht überraschend, dass sich der VW-Konzern weigerte, das Gehaltsangebot des hochverschuldeten FC Schalke 04 zu überbieten und aufgrund dessen übernahm Felix Magath den FC Schalke 04.

In Augen des Schalke-Präsidenten Tönnies war Magath die einzige Möglichkeit für Schalke, sich wirtschaftlich zu konsolidieren ohne an sportlicher Stärke zu verlieren. Felix Magath bekam neben seinem Trainermanager-Job auch einen Posten im Vorstand und konnte deswegen Transfers ohne Bewilligung des Vorstandes durchführen.

Zahlreiche Spieler kamen und gingen, die meisten für kleines Geld und bald maß Schalkes Kader eine stattliche Zahl.

Kritiker äußerten bereits damals ihre Bedenken an Magaths Führungsstil, aber trotz Konflikten mit den Fans und einzelnen Spielern (wie etwa Albert Streit, den er suspendierte und der noch nach der Ära Magaths auf der Gehaltsliste Schalkes stand) konnte der sportliche Erfolg Magaths seine Gegner verstummen lassen.

Der FC Schalke wurde überraschend Vizemeister, obwohl man das gesamte Jahr über mit einer sehr tiefstehenden Abwehr spielte. Das Spiel nach vorne bestand großteils aus individuellen Aktionen und hohen Bällen, welche von Kuranyi und Co. verwertet wurden.

Der größte Erfolg Magaths in diesem Jahr war jedoch nicht der zweite Platz, sondern das Hochziehen junger unbekannter Spieler, wie Moritz, Schmitz und in der zweiten Saisonhälfte Matip.

Überraschend, aber in gewisser Weise doch zu erwarten war die folgende zwei Transferperioden Magaths: mit Rafinha, Bordon, Kuranyi, Westermann und Rakitic (im Winter 2010) verließen fünf Stammspieler den Verein und dazu gesellten sich mit Zambrano und Sanchez wichtige Ergänzungsspieler.

Gekauft wurde eine hohe Zahl an Spielern, von denen manche erfolgreich (Raúl, Papadopoulos, Kluge), einige weder Fisch noch Fleisch (Jurado, Uchida, Huntelaar, Metzelder, Sarpei, Escudero, Annan) und der Großteil absolute Flopps waren(Deac, Plestan, Hoogland, Avelar, Pliatsikas, Hao, Baumjohann, Charisteas, Karimi).

Diese schwache Transferphase und das destruktive Spiel Schalkes zeigten sich perfekt in ihrer Saison – in der Liga, wo man selbst agieren musste, konnte man kaum punkten und schwebte akut in Abstiegsgefahr, im DFB-Pokal und in der Champions League jedoch konnte man bis ins Finale respektive Halbfinale kommen. Letzteres jedoch ohne Felix Magath.

Magath hatte die Fans gegen sich gebracht durch die Transfers von Karimi und Charisteas, welche in Anbetracht des großen Kaders und der Verbindichkeiten fast wie Hohn wirkten.

Der Versuch sich über die soziale Plattform Facebook den Fans anzunähern, schien Erfolg zu haben, doch nach einer öffentlichen Schlammschlacht mit Clemens Tönnies wurde Magath entlassen und durch Ralf Rangnick ersetzt.

Magath pochte auf eine hohe Abfindung bei Entlassung, aber diese 15 Millionen konnte und wollte der FC Schalke nicht zahlen. Gerüchte, die Magath Veruntreuung bei Transfers unterstellten, kamen gelegen, doch völlig überraschend zog Magath seine Ansprüche zurück.

Tags darauf veröffentlichte der VfL Wolfsburg eine Pressemitteilung, wonach Magath wieder zu den Wölfen zurückkehrte – wie könnte es anders sein, denn als Feuerwehrmann. Und wie könnte es anders sein, als dass Felix Magath den drohenden Abstieg noch abwenden konnte.

Ob sich das alte zwei-Jahres-Schema seiner Karriere wieder bewahrheiten wird?

Magaths Fußballphilosophie, Schach und hartes Training

Eine zentrale Theorie erfolgreichen Schachspielens ist, dass man das Zentrum beherrschen muss, um das Spiel zu gewinnen. Im Zentrum hat man bis zuletzt mehr Alternativen um anzugreifen. Je nach Situation kann man auf die Außen ausweichen und man hat bis zum entscheidenden Zug den König geschützt.

Felix Magath, der aufgrund einer Niederlage gegen den fünfjährigen Sohn seines Schachtrainers Gisbert Jacoby zeitweise mit dem Spielen aufhörte, predigt dies auch im Fußball.

Seiner Meinung nach bestehen beide Spiele aus ähnlichen Grundkomponenten, nämlich Kraft, Raum und Zeit, wobei im Schach das Fehlerpotenzial aufgrund menschlicher Schwächen von elf auf eins reduziert wird.

Ähnlich wie im Schach sollen Fußballer zwei bis drei Züge vorausdenken und sich selbst um Taktik kümmern. Jeder Spieler sollte selbst sehen, welcher nächste Zug der beste ist.

Ganz nach Vorbild sowjetischer Eishockeytrainer empfiehlt deshalb Magath seinen Spielern das aktive Schachspielen. Was Magath jedoch nicht wusste: Gisbert Jacobys Sohn, der ihn besiegte, galt als großes Fußballtalent und schaffte es sogar in die zweite Bundesliga. Dies soll jedoch keine Entschuldigung für Magaths Leistungen im Schach sein, er unterlag bspw. René Gralla, einem Schachmeister, sehr bald aufgrund eines Anfängerfehlers – es scheint, Van Bommel hatte mit seiner Kritik „Was für eine Taktik?“ recht …

… Doch hier stellt sich die Frage, ob Magath überhaupt an fußballspezifischer Taktik interessiert ist. Trotz seiner Äußerungen zur Systematik des Schaches, versucht er den Fußball möglichst einfach zu machen und stellt Hierarchie, Motivation und Trainingsarbeit über die Taktik.

Beim FC Schalke gab es für Superstar Raúl keine taktischen Vorgaben, da er „dies selbst am besten wisse“ und die Mannschaftshierarchie seine Freirolle aufgrund seiner Karriere akzeptieren würde. Dies war auch bei Horst Heldt und Krassimir Balakov beim VfB Stuttgart der Fall – die Hierarchie bestimmt die Taktik, nicht umgekehrt.

Im Bereich Motivation und Trainingsarbeit, welche zusammen mit der Pressearbeit unter den Aspekt der „Personalführung“ fallen, vertritt Magath sehr autoritäre Thesen, welche an Branko Zebec und Ernst Happel orientiert sind.

Die Medien sind in seinen Augen der Gegenpol zum Trainer, welcher die Mannschaft zu einer kompakten Einheit machen will. Sie pushen das Ego der Spieler und sabotieren die Arbeit des Trainers durch inkompetente Kritik und Eigeninteresse. Magaths Ziel ist dem entgegenzuwirken, einerseits durch starke Kritik an den Spielern und Bestrafen der Medien bei – in seinen Augen – Fehlverhalten.

Magaths Höchststrafe ist das Schweigen. Journalisten und Reporter, die keine Antworten bekommen, sind ebenso hilflos wie Fußballer, die kein Feedback und keine Hilfestellung bekommen. Letztlich sind beide von Magath abhängig und auf ihn angewiesen, exakt diesen Umstand nutzt er, um seine Autorität aufzubauen.

Die Grundvoraussetzung für ein solches Verhalten den Spielern gegenüber ist eine hohe Anzahl an Spielern im Kader, insbesondere an jungen Spielern, die hungrig sind und ihr Ego eher dem Erfolg unterordnen. Ein Kader mit einer hohen Zahl an jungen Spielern und verschiedenen Persönlichkeiten besitzt viel mehr Heterogenität und die Leitwölfe können Rebellionen gegen den Trainer nur schwer organisieren, was Magath nach seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt und Werder Bremen lernte.

Als Endkonsequenz seiner Fußballphilosophie und seiner Anschauungsweise des modernen Profis („sie suchen die Schuld immer bei anderen, sie sind überbezahlt und leben ihren Traum, dafür haben sie sich auch 24 Stunden am Tag in den Dienst des Vereines zu stellen“)  steht das Training.

Das Lieblingszitat von „Saddam“, wie er auch benannt wurde, ist: „Qualität kommt von Qual.“

Harte Konditionseinheiten mit Medizinbällen und der „Hügel der Leiden“, eine Erfindung Magaths, sollen nicht nur den körperlichen Stahl für die Roharbeit seiner Fußballer geben, sie sollen auch psychologische Barrieren knacken.

Kritik dafür bekam er unter anderem von den medizinischen Abteilungen der Vereine, auf die er fast schon prinzipiell keine Rücksicht nimmt. Spieler, die nicht gänzlich fit sind, werden unter Schmerzmitteln zum Spielen gezwungen.

In Anbetracht dessen könnte man sagen, was Christoph Daum mit Glasscherben und feurigen Kohlen Beginn der 90er bewirkte, erreicht Felix Magath mit permanentem Überschreiten der Schmerzgrenze,  permanenter Druck als Motivation für ein effektives Training.

Die Motivation für Erfolge ist jedoch neben Titeln jedoch eine andere, nämlich das Feindbild, welches Magath selbst für seine Spieler darstellt. Die Härte, welche Magath als Jugendlicher und Spieler abging, verlangt er von seinen Spielern.

Aussagen wie „ich bin der liebste Mensch, den es gibt“ und „ich bin immer nur Diener des Vereins“ wirken in Anbetracht dessen wie blanker Hohn.

Obwohl er menschlich und im Schachspiel noch auf dem Niveau der 80er festsitzt, so kann man ihm neben seiner Erfolge eines zu Gute halten: Seine Ausbildung hat er nachgemacht, Magath studierte nebenbei einige Semester Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, wobei aufgrund seiner Vita die Frage gestellt werden muss, ob er nicht manche Kurse schleifen ließ.

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