Robin Dutt fing seine Trainerkarriere in der Verbandsliga Baden-Württembergs an. Rund 15 Jahre später steht er bald bei Champions League-Spielen am Rand. Das Porträt eines Aufsteigers.
Anfänge einer Karriere
Noch vor rund 15 Jahren war die Profiwelt des Fußballs eine unzugängliche Parallelwelt. Nahezu alle Trainer und Manager, die den Spielfeldrand der Bundesliga bevölkerten, waren ehemalige Profispieler. Quereinsteiger gab es in diesem abgeschotteten Geschäft kaum. Heutzutage hat sich der Fußball für Spezialisten geöffnet, und so sind gerade die Scouting-Abteilungen der Ligen voll mit Leuten, die nie als Profis gespielt haben.
Auf der Trainerposition ist das immer noch eine Ausnahme, auch zwanzig Jahre nach Arrigo Sacchis (Erfolgstrainer des AC Milan Ende der 80er/Anfang der 90er) Ausspruch: „Ein guter Trainer muss kein guter Spieler gewesen sein – genauso wenig wie ein guter Jockey ein Pferd gewesen sein muss.“ Eine der großen Ausnahmen in dieser Hinsicht ist Robin Dutt, der in seiner aktiven Zeit nie weiter als in die Verbandsliga kam. Trotzdem war Fußball immer die größte Leidenschaft des jungen Industriekaufmannes. Obwohl seine fußballerischen Fähigkeiten stark limitiert waren, hatte er immer den Wunsch, sein Hobby zum Beruf zu machen.
Seine Karriere begann unscheinbar: Nachdem der Sohn indischer Einwanderer in jungen Jahren von Köln nach Baden-Württemberg zog, tingelte er dort als Stürmer in Jugend- und Amateurmannschaften von Kleinstadtverein zu Kleinstadtverein. Er selbst sagt im Nachhinein, dass ihm die Schnelligkeit fehlte, um als Stürmer für höhere Weihen bestellt zu sein. Seine Defizite in diesem Bereich musste er ausgleichen, indem er mehr auf seine Positionierung achtete. Er entwickelte als Aktiver eine vergleichsweise hohe Spielintelligenz, um trotz seiner körperlichen Nachteile in den höheren Amateurklassen mithalten zu können.
Schon damals achtete er auf die taktischen Details innerhalb eines Spiels. Kein Wunder also, dass der Wechsel vom Feldspieler zum Trainer nahezu nahtlos verlief. Im Alter von 33 fing er als Spielertrainer beim TSG Leonberg an. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn wurde er Coach des TSF Ditzingen, bei dem er schnell vom Betreuer der Nachwuchsmannschaft zum Cheftrainer des Oberliga-Teams aufstieg (wer mehr über diese Zeit erfahren möchte, dem sei der Kommentar von unserem User Stepi ans Herz gelegt).
Die südwestdeutsche Trainergilde
Eine Spielerkarriere in der Bezirks- und Verbandsliga und ein Posten bei einem wenig ambitionierten Oberligisten – das klingt nicht gerade nach einem idealen Start für eine Trainerkarriere. Robin Dutt zeichnete sich jedoch immer durch extremen Fleiß aus. Für ihn war klar, dass er eines Tages sein Hobby zum Beruf machen wollte. Dementsprechend arbeitete er immer ein bisschen mehr als seine Kollegen. Seine Freizeit neben dem Beruf widmete er ganz dem Trainerjob. Er las viele Fachzeitschriften und versuchte, aktuelle Trends in sein Training mitaufzunehmen.
Seine Laufbahn wäre jedoch ohne gehörige Portion Glück nicht möglich gewesen. Robin Dutt war schlicht und ergreifend in vielen Situationen zur rechten Zeit am rechten Fleck. Es beginnt damit, dass Baden-Württemberg Ende der 90er der beste Ausgangspunkt für eine beginnende Trainerkarriere war: Während im Rest von Fußballdeutschland Begriffe wie Viererkette, Raumdeckung und 4-4-2 selbst noch zum Ende des 20. Jahrhunderts kritisch beäugt wurden, war die Fußballszene im Schwabenlande weiter. Beim Württembergischen Fußballverband wurde das ballorientierte Verteidigen schon in den 80er Jahren von Helmut Groß eingeführt und später von Ralf Rangnick übernommen. Die anderen süddeutschen Fußballverbände folgten in den 90er Jahren diesem Vorbild. Nicht umsonst haben viele der heutigen Top-Trainer im süddeutschen Raum ihr Handwerk gelernt – vom erwähnten Ralf Rangnick über Thomas Tuchel bis hin zu Joachim Löw.
Seine Herkunft verschaffte Dutt nicht nur eine sehr gute Ausbildung, sie versorgte ihn zudem mit wichtigen Kontakten. Seinen A-Trainerschein machte er zusammen mit einem gewissen Marcus Sorg, heute Cheftrainer des SC Freiburg. Die beiden freundeten sich an, und als Sorg 2001 das Cheftraineramt beim damaligen Drittligisten Stuttgarter Kickers übernahm, legte er bei den Verantwortlichen ein gutes Wort für den aufstrebenden Robin Dutt ein. So wurde dieser 2002 Trainer der Reservemannschaft der Kickers.
Marcus Sorg blieb nicht lange in Stuttgart. Anfang 2003 wurde er entlassen und von Rainer Adrion abgelöst, der heute die deutsche U21-Nationalmannschaft betreut. Als auch dieser jedoch nach nur einem halbem Jahr im Oktober 2003 entlassen wurde, war die große Stunde des Robin Dutt gekommen: Er bekam seinen ersten Cheftrainerposten bei einer Profimannschaft.
Seine Zeit bei den Stuttgarter Kickers
Seine Aufgabe bei den Stuttgarter Kickers war keine leichte: Vor der Saison als Aufstiegsaspirant gehandelt, war nach einem misslungen Saisonstart keine Rede mehr von der Rückkehr in die Zweitklassigkeit. Zu jener Zeit hatte der frühere Bundesligist wie so viele Traditionsvereine mit finanziellen Problemen zu kämpfen und konnte sich nur durch den Verkauf der Namensrechte am Stadion vor der Insolvenz retten. Er war daher in den kommenden Jahren darauf angewiesen, junge Talente aufzubauen anstatt namhafte Spieler für teures Geld zu verpflichten.
Für Robin Dutt ging trotz der schwierigen Bedingungen ein Traum in Erfüllung: Er hatte es ins Profigeschäft des Fußballs geschafft. Nun galt es zu beweisen, dass seine bisherigen Erfolge nicht nur daher rührten, dass er zur rechten Zeit am rechten Ort war. Er stürzte sich akribisch in seine Arbeit und war besonders an einer Verbesserung des Scoutings und der Trainingsmethoden interessiert.
Nicht nur die sportliche Situation stellte ihn zu dieser Zeit vor eine Herausforderung: Er begann kurz nach Beginn seiner Tätigkeit in Stuttgart die Ausbildung zum Profitrainer an der Hennes-Weisweiler-Akademie. Die dauernden Reisen vom Neckar nach Köln und zurück setzten dem jungen Trainer zu. Dennoch meisterte er beide Aufgaben und schaffte den Abschluss im Juni 2005 sogar als Jahrgangsbester mit einer Note von 1,4. Die Kurse absolvierte er übrigens zusammen mit Jürgen Klopp, mit dem ihn seitdem eine professionelle Freundschaft verbindet.
Trotz der Doppelbelastung und der finanziellen Engpässe stabilisierten sich die Kickers unter Dutt im Tabellenmittelfeld der Regionalliga Süd. Nach drei höhepunktarmen Spielzeiten im Nirgendwo der Tabelle wurde die Saison 2006/2007 zur erfolgreichsten für die Kickers seit Jahren. Zum ersten Mal seit Dutts Ankunft musste der Verein keine Lizenzauflagen erfüllen – ein finanzieller Erfolg, der sich auf den sportlichen Bereich übertrug. Besonders der Achtungserfolg im DFB-Pokal, als man in der ersten Runde den Bundesligisten Hamburger SV mit 4:3 nach Verlängerung besiegte, katapultierte den Coach in das nationale Rampenlicht.
Der Wechsel zum SC Freiburg
Nach seinen feinen Trainerleistungen in dieser Saison war er nicht nur im Blickfeld der Medien, sondern auch im Gespräch bei einigen höherklassigen Vereinen. Bekannt wurde vor allem das Interesse von Bundesligist Hannover 96, die einen Nachfolger für den gefeuerten Peter Neururer suchten, sich letztendlich aber für Dieter Hecking entschieden. Ernst wurde es im März, als der damalige Zweitligist SC Freiburg für die neue Saison einen Nachfolger für den ewigen Volker Finke suchte. Nachdem er sich das Angebot einige Tage durch den Kopf gehen ließ und auch ernsthaft in Betracht zog, den eingeschlagenen Weg bei den Stuttgarter Kickers weiterzugehen, nahm er schließlich an.
Die Idylle, die den SC Freiburg ansonsten zu einem der ruhigsten Profivereine Deutschlands machte, wurde durch diesen Trainertausch erschüttert. Es entwickelte sich schnell eine Initiative, die den Verbleib von Volker Finke forderte. Die Aktion „Wir sind Finke“ fand vor Saisonschluss besonderen Zulauf, als der SC Freiburg nach guten Leistungen in den letzten Wochen der Finke-Herrschaft den Aufstieg nur knapp verpasste. Trotz einiger kritischer Stimmen auch innerhalb des Vorstandes standen die Breisgauer zu ihrer Entscheidung und so trat Dutt seine neue Aufgabe zur Saison 2007/2008 an.
Gerade die Besetzung der neuen Posten wurde zum Drahtseilakt: Zu viele neue Mitarbeiter wäre ein Affront gegen den bei den Fans beliebten alten Trainer – zu wenig neue Mitarbeiter ein Zeichen von Schwäche. Er wählte den Mittelweg: Zum einen wollte er eine größtmögliche personelle Kontinuität erreichen und beförderte unter anderem Damir Burić, der bereits unter Volker Finke arbeitete, zum Co-Trainer. Andererseits zeigte er seine Loyalität zu ehemaligen Weggefährten und legte ein gutes Wort für ehemalige Kollegen ein, so zum Beispiel für seinen Förderer aus Kickers-Tagen, Marcus Sorg, der im Sommer 2008 Trainer der Amateure wurde.
Mit dem SC Freiburg übernahm Dutt erneut einen Verein, der in einem personellen Umbruch stand. Er musste wie schon bei den Stuttgarter Kickers sich nicht nur als Übungsleiter, sondern auch in der Kaderzusammenstellung hervortun. Im Sommer verließen bereits viele Spieler den Verein, es kamen ebenso viele neue hinzu. In der Winterpause ging der Umbruch weiter und es kam unter anderem Mo Idrissou zu den Freiburgern.
In dieser Spielzeit waren die Anforderungen an den Trainer enorm. Auf der einen Seite stand eine nicht so kleine Gruppe Fans, die den neuen Trainer kritisch beäugten und am liebsten Finke wieder im Amt gesehen hätten. Auf der anderen Seite erhöhte Dutt selber die Erwartungen, als er den Aufstieg eigenmächtig als Saisonziel ausgab. Obwohl der Vorstand einen Mittelfeldplatz ausrief und damit dem Trainer den Druck von den Schultern nehmen wollte, war Dutt der Meinung, dass nach dem vierten Platz der letzten Saison eine bessere Platzierung und damit der Aufstieg das Ziel sein müsse. Damit machte er sich gerade bei den Vereinsverantwortlichen keine Freunde.
Diesen Anfangsschwierigkeiten zum Trotz schaffte der SC Freiburg in der ersten Saison einen respektablen fünften Platz. Den Aufstieg verpasste man aufgrund einer Niederlagenserie zu Beginn der Rückrunde. Außerhalb des Platzes beruhigte er die Anhänger mit seiner unaufgeregten, sachlichen Art und machte Volker Finke schnell vergessen. Aber auch fußballerisch war die erste Saison wichtig für Robin Dutt, der hier das Fundament für die kommenden Erfolge legte. Er impfte den Spielern eine Taktik ein, die nicht mit den Prinzipien von Volker Finke brach, sondern dessen Spielidee auf eine neue Stufe hob. Er installierte einen ballbesitzorientierten Fußball in einem 4-2-3-1 System, das auf Kurzpassspiel, die volle Ausnutzung der Breite des Platzes und viele Positionswechsel setzte.
Das verflixt gute zweite Jahr
Die Spielidee seines ersten Jahres in Freiburg entwickelte er in der zweiten Saison konsequent weiter. Robin Dutt implantierte nun modernste taktische Ideen in sein Spiel: In der Offensive spielte der SC Freiburg mit einer Dauerrochade, die vier offensiven Akteure tauschten immer wieder die Positionen. Einen etatmäßigen Stürmer gab es dabei nicht, vielmehr verschob sich situationsbedingt ein Akteur der Offensivreihe in die Spitze. Die Dauerrochade war möglich, weil Robin Dutt auf mehrere torgefährliche Offensivspieler zurückgreifen konnte: Idrissou war im zweiten Jahr zwar der herausragende Torschütze mit 13 Treffern, andere Spieler wie Bechmann und Jäger trugen sich aber ebenfalls mit sieben Toren in die Trefferliste ein. Die Freiburger waren mit ihrem variablen System nicht von einem Torjäger abhängig.
Die Vermischung der Aufgaben eines offensiven Mittelfeldspielers und eines Stürmers wurde sonst nur bei Manchester United betrieben, mit Akteuren wie Rooney und Christiano Ronaldo. „Sagen Sie nicht, wir spielen wie Manchester United. Sonst heißt es gleich, der ist größenwahnsinnig“, wies Robin Dutt die Vergleiche von sich. Dennoch bewies Dutt mit dieser taktischen Maßnahme sein Gespür für internationale Taktiktrends.
Auffällig war auch, wie oft die Freiburger den Weg über die Außen suchten. Das Team nutzte damit geschickt aus, dass die Freiburger den kürzesten, aber auch breitesten Platz aller Profimannschaften in Deutschland bespielen. Seine Taktik war damit auf die Platzverhältnisse im Breisgaustadion abgestimmt.
Mit hohen Ballbesitzzahlen und vielen kurzen Pässen dominierte man die zweite Liga. Der SC Freiburg stürmte schnell an die Tabellenspitze und gab den Platz an der Sonne nur noch selten her. Am 31. Spieltag der Saison 2008/2009 konnten sie mit einem 5:2-Auswärtssieg den Aufstieg und die Zweitligameisterschaft perfekt machen – Robin Dutt war angekommen in der obersten deutschen Spielklasse. Beeindruckend war besonders die Dominanz, mit der der Aufstieg erzielt wurde: In der Rückrunde war der Aufstieg zu kaum einer Zeit ernsthaft gefährdet. Am Ende hatte man ein Torverhältnis von 60:36 und fünf Punkte Vorsprung auf den zweitplatzierten FSV Mainz 05.
Harte Zeit in der ersten Liga
Nach dem Aufstieg folgte eine harte Saison für den SC Freiburg: Wirtschaftlich stand man zusammen mit Mitaufsteiger Mainz am Schlusslicht der Tabelle, der direkte Wiederabstieg wurde von vielen Experten prophezeit. Der Kader konnte daher nur punktuell verstärkt werden, dafür blieben bis auf Daniel Schwaab (Wechsel zu Bayer Leverkusen) alle Leistungsträger.
Dutt lernte eine neue Facette des Trainerberufs kennen: Zum ersten Mal in seiner Karriere kämpfte er vom ersten Spieltag an gegen den Abstieg. Nach einer durchschnittlichen Hinrunde stand sein Klub mit 18 Punkten auf einem akzeptablen 13. Rang. In Erinnerung blieb jedoch nicht die passable Platzierung, sondern vor allem die deutlichen Heimniederlagen gegen Bayer Leverkusen (0:5) und Werder Bremen (0:6).
Robin Dutt fasste die erste Zeit in der obersten Liga passend im Gespräch mit der offiziellen Internetpräsenz des SC Freiburg treffend zusammen: „Wir haben in der Anfangsphase versucht, die gleichen Ballbesitzzahlen zu erreichen, wie in der Zweiten Liga. Dafür sind wir bestraft worden, Leverkusen oder Bremen haben sich bedankt, und uns die Tore eingeschenkt. Da mussten wir erst einmal sehen, dass wir uns defensiv besser organisieren.”
Robin Dutt zog seine Schlüsse aus den teilweise desolaten Auftritten und stellte sein System um. Spätestens ab der Rückrunde spielte der SC Freiburg in einem eindeutigen 4-1-4-1 System. Nach und nach veränderte sich die Spielweise des SC Freiburg, weg vom Kurzpassspiel hin zu schnellem Umschalten. Die vielen Positionswechsel und die Ausnutzung der ganzen Breite blieben aber bestehen.
Neu in diesem System waren vor allem die Rollen zweier Spieler: Auf der einen Seite stand der in der Winterpause für eine Rekordablöse von 1,6 Millionen nach Freiburg gekommene Cisse, der einzige Sturmspitze wurde. Der SC Freiburg hatte nun eine feste Anspielstation vorne, die Bälle halten, ablegen und im Zweifelsfall alleine den Weg zum Tor suchen konnte. Cisse sollte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten als großer Glücksgriff erweisen. Seine sechs Treffer in der Rückrunde trugen zum Nichtabstieg bei – sein wahres Potenzial sollte er jedoch erst in der kommenden Saison abrufen.
Die zweite wichtige Personalie war Julian Schuster. Er spielte bereits einige Zeit bei den Freiburgern, ehe Robin Dutt seinem Schützling mehr Verantwortung übertrug. Im 4-1-4-1 System übernahm er die wichtige Rolle zwischen den beiden Viererketten und sollte dafür sorgen, dass niemand diesen Raum ausnutzt. Noch interessanter als seine Defensivaufgaben war seine Rolle im Spielaufbau der Freiburger. Hier ließ sich Robin Dutt erneut von internationalen Top-Klubs inspirieren und implantierte als erster Bundesligatrainer den so genannten „Libero vor der Abwehr“ in sein Spiel.
Im Spielaufbau fiel Schuster aus der Mittelfeldzentrale zwischen die beiden Innenverteidiger zurück. Hierdurch rückten diese auf die Außenverteidigerposition, wodurch die Außenverteidiger wiederum mit nach vorne rücken konnten. Aus der Viererkette wurde im Spielaufbau so eine Dreierkette. Im Falle eines Ballverlustes kamen die Außenverteidiger schnell wieder zurück, um die alte 4-1-4-1 Ordnung herzustellen. Dass Dutt und Schuster bereits zuvor mit dieser Idee kokettierten, war zu erkennen – deutlich wurde sie erst zu Teilen in der Rückrunde der Saison 2009/2010.
Die zweite Bundesligasaison und der Wechsel zu Bayer
Die Freiburger Spielidee verlangte viel Flexibilität von den Spielern und musste lange eintrainiert werden. Es ist keine Überraschung, dass das 4-1-4-1 System in der Rückrunde noch nicht hundertprozentig harmonierte. Dennoch war eine Steigerung zur Hinrunde zu sehen, da die hohen Niederlagen ausblieben und man sogar die großen Bayern am Rande einer Niederlage hatte. Am Ende erreichte die Mannschaft mit 35 Punkten bereits einen Spieltag vor Saisonschluss den Nichtabstieg.
Dutts komplexes System mit den vielen Positionsrochaden sollte in der darauffolgenden Saison dem SC Freiburg zu ungeahnten Erfolgen führen: Vor der Saison erneut als Abstiegskandidat gehandelt, konnten die Breisgauer am Ende der Hinrunde gar von einem Europa League-Rang träumen. Die zwei Eckpfeiler der Mannschaft, Julian Schuster und Cisse, befanden sich in ausgezeichneter Form und sorgten dafür, dass man sich schon früh in der Saison vom Abstiegskampf verabschieden konnte. Erfolgreich sein und schön spielen – Dutts Prämisse wurde in der Hinrunde 20010/2011 voll erfüllt.
Die Rückrunde der Saison verlief nicht mehr so glanzvoll, so dass am Ende der neunte Rang heraussprang. Gründe für das schwache Abschneiden in der zweiten Saisonhälfte waren einerseits Verletzungen – besonders Julian Schuster konnte nach einer Zwangspause nicht mehr an seine alten Leistungen anknüpfen. Als man sich nach einigen unglücklichen Niederlagen zu Beginn des Jahres im Tabellenniemandsland wiederfand, schlich sich zudem ein kleiner Schlendrian in die Mannschaft ein.
In dieser Phase der Saison machte die Bundesliga besonders außerhalb des Platzes auf sich aufmerksam: Das Trainerkarussell drehte sich in hoher Geschwindigkeit. Am Ende öffneten die zahlreichen Wechsel innerhalb der Liga eine Tür für Robin Dutt: Bayer Leverkusen bot ihm eine Stelle als Cheftrainer an. Nach reiflicher Überlegung nahm er die Chance wahr.
Ausblick auf seine Zeit in Leverkusen
Robin Dutt war angekommen – von der Verbandsliga hat er es in nur 15 Jahren in die Champions League geschafft. In der Bundesliga ist sein Werdegang herausragend, weil er nie Teil der Bundesligamaschinerie war. Er hat es durch harte Arbeit und eine nicht zu leugnende Portion Glück geschafft, als Quereinsteiger Trainer eines Topklubs der Liga zu werden.
Taktisch war Robin Dutt immer ein Verfechter von anspruchsvollem Kurzpassspiel. Erfolg ist kein Selbstzweck, wichtig ist die Frage, wie dieser Erfolg erzielt werden kann. Durch seine Vorliebe für das schöne Spiel zeigt sich seine Liebe zum Fußball, die ihn vom TSF Ditzingen bis hin zu Bayer Leverkusen führte. Auf der anderen Seite ist eine schöne Spielweise auch ein Garant dafür, bei den Fans beliebt zu sein – ein nicht unwesentlicher Faktor, wenn man bedenkt, dass Robin Dutt als Außenstehender zu Beginn seiner Karriere bei seinen Stationen nicht viele Fürsprecher fand.
Mit seinem neuen Verein Bayer Leverkusen hat er nach wenigen Spieltagen bereits eine ganze Handvoll Probleme. Als neutraler Beobachter sollte man jedoch verstehen, dass Dutts Idee vom Fußball eine gewisse Zeit braucht, bis sie bei einem Verein hundertprozentig funktionieren kann – ballbesitzorientierter Fußball ist immer schwerer zu vermitteln als eine Kontertaktik aus einer sattelfesten Defensive. Die Fans sollten ihm Zeit geben, seine Idee vom Spiel zu entwickeln. Schon jetzt zeigt sich, dass taktisch und spielerisch eine große Leverkusener Mannschaft entstehen kann, siehe die großartige erste Halbzeit gegen Dynamo Dresden im Pokal.
Die anderen Probleme, die er teilweise selbst geschaffen hat, lassen sich mit einem Blick auf seine Biographie erklären. So rief er in Leverkusen das Saisonziel Meisterschaft aus und machte sich (wie schon zu seiner Anfangszeit in Freiburg) damit nicht nur Freunde. Diese Aussagen sind jedoch für ihn nur konsequent: Stagnation oder gar Rückschritt waren nie ein Bestandteil seines Aufstieges von unten nach ganz oben. Auf einen zweiten Platz kann bei ihm nur der Erste folgen, das war und ist Teil seiner eigenen Motivation.
Neu ist für ihn auch die Situation, eine Mannschaft zu übernehmen, die nicht in einem Umbruch steckt. Bei den Stuttgarter Kickers übernahm er einen Verein am finanziellen Ende, beim SC Freiburg beerbte er einen Vorgänger, der über 16 Jahre im Amt war. Bayer Leverkusen hingegen hat einen gefestigten Kader und war in der Vorsaison sehr erfolgreich – hier wird zunächst nicht seine Fähigkeit in der Kaderzusammenstellung, sondern seine Kompetenz als Übungsleiter im Vordergrund stehen.
Dass Robin Dutt taktisch zu den besten Trainern der Liga zählt, unterstrich seine hochmoderne und flexible Spielweise in Freiburg. Die Schwierigkeit in Leverkusen ist es, zu akzeptieren, dass das sportliche Prinzip in der Öffentlichkeit anders gewichtet wird. Während er im beschaulichen Breisgau einen Spieler, der nicht in das taktische Konzept passte, ohne großen Aufschrei auf die Bank setzen konnte, gestaltet sich das gerade im Fall Ballack als schwierig. Seine Aussage, man könne Rolfes und Ballack nicht zusammen aufstellen, macht sportlich Sinn – sie nimmt allerdings zu wenig Rücksicht auf die öffentliche Debatte, die sich längst von sportlichen Kriterien gelöst hat.
Robin Dutt stand früher als gedacht in Leverkusen am Pranger. Es ist eine wichtige Station für ihn, denn jetzt hat er die einmalige Chance zu zeigen, ob er zu den besten Trainern der Bundesliga gehört. Wenn er scheitert, wäre es der erste echte Rückschlag in einer Karriere, die bisher nur den Weg nach oben kannte. Die nächsten Wochen werden eine harte Probe für den Quereinsteiger.